Künstlersozialkasse und Influencer, Streamer bzw. Content Creation


Creator economy und künstlersozialkasse




Seit einigen Jahren sind Themen rund um die Künstlersozialkasse (KSK) in der Creator Economy ein Schwerpunkt unserer anwaltlichen Tätigkeit. Da sich bisher noch keine einheitliche Verwaltungspraxis der KSK oder der Deutschen Rentenversicherung (DRV) herausgebildet hat, und es auch noch wenig Rechtsprechung gibt, soll dieser Artikel eine Orientierung zu einigen wichtigen Fragen in diesen Bereichen geben.

 

künstler oder publizist nach dem ksvg?

Nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) können Künstler und Publizisten über die Künstlersozialkasse (KSK) versichert werden.

 

Zudem muss für die Verwertung von künstlerischen und publizistischen Leistungen unter Umständen Künstlersozialabgabe gezahlt werden. Gilt man (z.B. als Brand, Agentur oder Management) im Zusammenhang mit solchen Leistungen als Verwerter im Sinne des KSVG, müssen gezahlte Entgelte dann an die KSK gemeldet werden. In diesem Fall berechnet die KSK dann die Abgabe, in Höhe von zurzeit 5 % (2024), auf diese Entgelte.

 

Die Frage, ob z.B. ein Influencer als Künstler bzw. Publizist angesehen werden kann, ist also vor allem relevant

  • für die Beurteilung, ob der Auftraggeber (bzw. unter Umständen auch die Agentur oder das Management) Künstlersozialabgabe abführen muss (Grundsätze hierzu unter diesem Link) und
  • für die eigene Versicherungspflicht, also eine mögliche Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse.

Diese beiden Bereiche sind zunächst getrennt voneinander zu sehen. Eine Mitgliedschaft in der KSK führt z.B. nicht zwingend zu einer Abgabepflicht für die Leistungen und umgekehrt.

 

Entscheidend ist letztlich aber in beiden Fällen das Wesen der konkreten Tätigkeit.

 

was genau ist die "tätigkeit"?

Also was macht der Influencer, Streamer bzw. Content Creator im konkreten Fall? Die einzelnen Begriffe kann man zunächst strukturell unterscheiden:

 

Vielen Influencern geht es vor allem darum Reichweite zu erzeugen. Messbare Views, Streams etc. sind hierbei eine entscheidende Kennzahl.

 

Die Bezeichnung Content Creator lässt darauf schließen, dass die jeweiligen Inhalte im Vordergrund stehen. Dies können z.B. politische und gesellschaftliche Themen, Information und ähnliches sein, die in einer dem Journalismus ähnlichen Weise verbreitet werden. Je nach Plattform und Format (z.B. IRL, Let’s Play, Just Chatting etc.) können auch triviale Inhalte im Vordergrund stehen.

 

Die Frage, ob die Ausnutzung von Reichweite oder das Erstellen von Inhalten im Vordergrund stehen, kann entscheidend sein für die Beurteilung, um welche Art einer künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit es sich handelt bzw., ob eine von beiden überhaupt gegeben ist.

 

Anspruchsvoll gestaltete Videos können z.B. durchaus als künstlerische Leistung angesehen werden. Produktvorstellungen und Tests kann man unter Umständen als Werbung bzw. Öffentlichkeitsarbeit und damit als eine publizistische Leistung ansehen. Hier kommt es wiederum stark auf die Einzelfälle an.

 

Man kann folgenden Gruppen unterscheiden:

  • Streamer bei Twitch und YouTube: Hier ist letztlich die Frage, ob es um relativ triviale Inhalte wie z.B. Just Chatting, IRL oder Let‘ Play geht bzw., ob Inhalte mit künstlerischem/kreativem Anspruch wie etwa Cosplay oder aufwendig produzierte Videos im Vordergrund stehen. Soweit es um Videos mit journalistischem Anspruch geht, kommt auch eine publizistische Leistung in Betracht (siehe unten zur „publizistischen Tätigkeit“).
  • „Klassische“ Influencer bei TikTok/Instagram/X: Hier steht das Erzeugen von Reichweite und die Vorstellung bzw. das Testen von Produkten im Vordergrund. Sicher werden auch regelmäßig Inhalte mit dem Schwerpunkt Spaß und Unterhaltung geteilt.

Klar ist, dass sich diese Gruppen nicht völlig voneinander abgrenzen lassen. Natürlich gibt es sehr oft auch Überschneidungen.

 

was ist kunst bzw. eine künstlerische leistung i.s.d. ksvg?

Was hier als Kunst angesehen wird, wird nicht von der Künstlersozialkasse entschieden. Entscheidend ist das Gesetz (KSVG) und die Auslegung durch die Gerichte und damit letztendlich die Sicht des Bundessozialgerichts (BSG).

 

Die Schwelle zur künstlerischen Tätigkeit ist im KSVG relativ niedrig angesetzt. Im Prinzip soll jede Darbietung, die ein Mindestmaß an eigenschöpferischer Leistung erkennen lässt, unter den Kunstbegriff des KSVG fallen (BSG, Urteil vom 25.10.1995 – 3 RK 24/94).

 

Das Bundessozialgericht hat dies für den Bereich der Unterhaltungskunst allerdings eingeschränkt:

 

Maßgebend für die Zuordnung einer Darbietung zur Unterhaltungskunst oder zu sonstigen – nicht künstlerischen – Arten der Unterhaltung ist – da die individuelle Kunstauffassung sehr unterschiedlich sein kann – im Zweifel die allgemeine Verkehrsauffassung. Eine Verkehrsauffassung im Sinne einer allgemeinen Übereinstimmung bei der Einordnung als Künstler wird sich nur bilden können, wenn die Akteure zumindest selbst einen künstlerischen Anspruch für ihre Tätigkeit erheben. (BSG, Urteil vom 26.11.1998 – B 3 KR 12/97 R)

 

Hiernach wäre es also zunächst einmal erforderlich, dass

  • der Akteur selber einen künstlerischen Anspruch für seine Tätigkeit erhebt und
  • sich eine allgemeine Verkehrsauffassung feststellen lässt, nach welcher ein fragliches Werk oder eine Leistung als Kunst angesehen werden kann.


kann ein influencer demnach ein künstler sein?

Möglicherweise sieht ein Influencer sich selber gar nicht als Künstler. Jedenfalls ist es fraglich, ob eine entsprechende Verkehrsauffassung festgestellt werden könnte.

 

Die Leistungen eines Influencers dienen dem durchschnittlichen Konsumenten zur einfachen Unterhaltung oder zur Information über Produkte oder Themen.

 

Soweit ein Content-Creator einen künstlerischen Anspruch an eine Leistung bzw. die entsprechenden Werke hat, kann man nicht ausschließen, dass insofern auch eine entsprechende, diesen Anspruch spiegelnde, Verkehrsauffassung vorhanden wäre.

 

Hier kommt es stark auf die Beurteilung des Einzelfalls an. Jedenfalls müsste, neben den beiden o.g. Urteilen des BSG, noch weitere einschlägige Rechtsprechung berücksichtigt werden. Z.B.:

  • Urteil des BSG vom 28.09.2017 – B 3 KS 1/17 R zum „Factual Entertainment“
  • Urteil des BSG vom 16. April 1998 – B 3 KR 7/97 R zu Sportveranstaltungen und Unterhaltungskunst
  • Urteil des BSG vom 24.01.2008 – B 3 KS 1/07 R – Zu Profisportlern
  • Urteil des SG Darmstadt vom 30. August 2021 – S 8 R 316/17 zur Künstlereigenschaft von Fußballtrainern, die ihre Popularität zu Werbezwecken einsetzen

 

kann es sich um eine publizistische leistung handeln?

Wenn Influencer bzw. Streamer aktiv Produkte oder Dienstleistungen bewerben oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben, kann es sich dabei unter Umständen um eine publizistische Leistung i.S.d. KSVG handeln.

 

Nach der BSG-Rechtsprechung (Urteil vom 27.03.1996 – 3 RK 10/95) gehört „jede Tätigkeit zur textlichen oder bildlichen Gestaltung von Massenkommunikationsmitteln“ grundsätzlich zum Bereich der Publizistik.

 

Letztlich kann unter dem Begriff des Publizisten jeder am Kommunikationsprozess einer öffentlichen Aussage schöpferisch Mitwirkende zu verstehen sein. (BSG, Urteil vom 11.04.2002 – B 3KR 46/01)

 

Auch ein Fachmann für Öffentlichkeitsarbeit, der mit Hilfe von Druckerzeugnissen oder elektronischen Medien eine an die Öffentlichkeit gerichtete Aussage erzeugt, wird als Publizist angesehen. Voraussetzung für jede publizistische Tätigkeit ist jedoch immer der Öffentlichkeitsbezug. (BSG, Urteil vom 04.06.2019 – B 3 KS 2/18)

 

Bestimmte typische Bereiche der Tätigkeit eines Influencers dürften demnach als publizistische Tätigkeit angesehen werden können. Allerdings kommt es auch hier wieder stark auf den Einzelfall an!

 

Online-Journalismus (Blog) wurde beispielsweise vom Bundessozialgericht als eine publizistische Tätigkeit eingeordnet (BSG, Urteil vom 21.07.2011). Allerdings lässt sich dieses Urteil aus verschiedenen Gründen nur eingeschränkt auf Influencer bzw. Content Creatoren übertragen.

 

das wichtigste zur versicherungspflicht und künstlersozialabgabe

1. Versicherungspflicht (KSK Mitgliedschaft)

 Damit z.B. ein Influencer, dessen Leistungen als künstlerische oder publizistische Leistungen angesehen werden können, Mitglied der KSK werden kann, ist es zunächst wichtig, dass

  • die Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird und
  • die Tätigkeit selbstständig ausgeübt wird.
  • Außerdem muss ein Mindesteinkommen (Gewinn) von 3.900,- Euro pro Jahr erzielt werden.

Zudem ist noch zwischen Kranken- und Pflegeversicherung und Rentenversicherung zu unterscheiden. In den §§ 4 und 5 KSVG, gibt es noch verschiedene Gründe, die zur Versicherungsfreiheit (= keine KSK-Mitgliedschaft) führen können.

 

2. künstlersozialabagbe

 Hier ist zunächst entscheidend, dass derjenige, der an den Influencer zahlt, dem Grunde nach als abgabepflichtiger Verwerter angesehen werden kann (§ 24 KSVG).

 

Dazu muss es sich dann bei den Zahlungen um entsprechende abgabepflichtige Entgelte (§ 25 KSVG) handeln.

 

Es kommt an dieser Stelle stark auf die Vertragskonstellationen an und darauf, wer tatsächlich Leistungsschuldner ist. Im Zweifel kann die Abgabepflicht Werbekunden bzw. Werbepartner, Agenturen und Managements treffen. In vielen Fällen gibt es Gestaltungsmöglichkeiten, um eine Abgabepflicht auszuschließen. Hierzu müssen stets die Umstände des Einzelfalls genau berücksichtigt werden.

 

Wir beraten und vertreten Agenturen, Managements und Brands regelmäßig in den entsprechenden Verfahren. Sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich in Verwaltungsverfahren gegen KSK oder DRV.

 

Einen Überblick zur Künstlersozialabgabe im Bereich Influencer-Marketing gibt es unter diesem Link.